Lyrisches

Inhaltsverzeichnis

  1. Grundgesetz
  2. Oberfläche und Querschnitt
  3. Nachtigallenstraße 81
  4. Der Ruhestand
  5. Weinprobe

 

Grundgesetz

 

Blauer Augen Strahlen, prüfende graue Blicke
     kannst Du niemals messen in den Quanten des Lichtes;
Keine Formel wird fassen den weichen Fluß der Bewegung;
Die Erhabenheit der göttlichen Choräle
     findest Du nicht im Gesangbuch, nicht auf den Notenblättern;
Dornen stechen und schützen, warnen und reizen den Toren;
Manches Ende kann Anfang sein zugleich.

Welche Anmut spricht aus zärtlich sich schließenden Armen!
     Hier entscheiden doch sicher niemals die Winkelmaße;
Fragen sind auch Botschaften, Antworten werden oft Fragen;
Starke Gefühle sind zart, tyrannisch, aber verletzlich,
     doch kein Psychologe wird je sie ermessen können;
Weder ein Kreiabschnitt noch ein Ellipsenbogen
     könnte den sanften Schwung der schlanken Hüften fassen;
Manche Ideen töten, manche können beleben, -
     selbst ihre Wirkungsgeschichte wird sie nie ganz ergründen;
Vor den Leiden des Job paßt die Sozialwissenschaft.

Kraftvolle Eleganz von schmalen Künstlerhänden
     wird nie Thema sein für Anatomiebuchkapitel;
Kerzen strahlen hell und sie duften - oder sie rußen,
     flackern und drohen Dir gar mit alles verschlingenden Bränden;
Pfeifst Du ein fröhliches Lied, den andern bedrückt und quält es;
Jetzt verfliegt es ganz, das weiche, warme Lächeln,
     doch das sind nicht bloße Physiologiephänomene;
Miß nicht in Zentimetern die aristokratische Nase!
Steine nur sind Opale, doch welche Vielfalt der Farben:
     Licht vom kühlsten Blau bis zu Spuren der tiefsten Röte;
Pferde entlarven den Menschen. Die einen werden zu Freunden,
     andere schlagen im Jähzorn, manch einer wurde zum Mörder;
Qualen läutern uns oft, und sie zerstören vieles, -
     sind sie meßbar durch Phonzahl des Schmerzensschreis?

Manche Ohren sind taub. Doch mit sehr feinen Antennen
     hörst Du gerade das, was niemals gesagt werden konnte;
Sprichwörtlich will beneidet sein die stolze Rose, -
     manch eine blüht im Verborgnen, duftet, blüht und trägt Früchte;
Das Ereignis der Seelen mißt nicht nach Zeit und Bewußtsein;
Träume sind wahrer, realer, als alle Wirklichkeiten;
Kann ein Urteil wahr sein? Ist's nicht ein Traum nur vonWahrheit?
Kennst Du nicht die Merkwürdigkeit so manchen Vogels?
     Was davon versteht Ornithologie?

Orchideen, so kostbar, so bizarr und exotisch,
     doch sie gehören nicht deshalb ins System der Botanik;
Eindeutig stehen im Lexikon -zigtausende Wörter,
     dennoch schillern sie immer in allen Spektrumsfarben;
Xenon ist definiert durch seinen Platz in der Skala,
     Masse, Atomgewicht und Schmelz- und Siedepunkte;
Yvelines ist bestimmt mit Längen- und Breitengraden,
     Einwohnerzahl und Grenzen in Nord, Süd, Ost und Westen;
Trotzdem gilt auch hier:

Eine Zensur findet nicht statt!

hOs

 

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Oberfläche und Querschnitt

Blenden dich die gleißend hellen Silberwogen?
Sind sie Spiegel dir? Flüssiger Aquamarin?
Sieh doch nur das transparent blaßblaue Dämmern:
Unter allem Glanz zitterndes Algentürkis.

Bernsteinfarben recken sich bizarre Formen.
Golden perlt es auf: Regt sich Lebendiges dort?
Braune Schatten hüllen es in warme Schleier
Und verlieren sich in nächtlichem, samtweichem Schwarz.

hOs

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Nachtigallenstraße 81

 

Grün hinter den Fenstern
Grün vor den Fenstern
Grün über der Tür
Grün unter der Decke

Und ein kleiner rosa Flur

Leben um das Haus herum
Leben im Haus
Viele Blumen viele Menschen viele Leben
Euer Leben - besonders das Deine

Und heute auch meins

Helle Räume anziehende Räume
Freier Raum Freiräume
Offene Räume
Heute offene Räume

Doch die Tür bleibt offen
Für ein helles freies offenes Leben

hOs

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Der Ruhestand

Der Ruhestand ist Hochgenuß,
Weil man jetzt nur noch will, nicht muß!
Man will nun endlich lesen, singen,
Und außer tausend weitren Dingen
Auch gärtnern, turnen oder wandern,
Ja, einfach plaudern mit den andern.
Sogar ein kleiner Flirt in Ehren
Könnte den Hochgenuß vermehren;
Denn Muße hat man jetzt und Ruh,
Doch leider steht man immerzu!
Wer pflegt denn wohl im Stand zu ruhen?
Und sei's auch in Gesundheitsschuhen?
Man legt des Abends sich zur Ruh
Und deckt sich bis zur Nase zu.
Manch einer ruht auf Seidenkissen,
Vor Kummer hin- und hergerissen;
Ein andrer ruht ganz still und cool
Auf dem bequemen Bürostuhl;
Es ruht der Herrscher auf dem Thron;
Auf Papas Kosten ruht der Sohn;
Es ruht nach all dem Lebensfrust
Die Diva an der Heldenbrust:
So ruht man denn und läßt sich gehn
Im Sitzen, Liegen oder Stehn.
Du aber stehst in Ruhe da,
Wie quirlig auch die Dienstzeit war,
Und bist mit Recht darüber froh!
In (Neid und) Dankbarkeit,
                                                 hOs
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Weinprobe

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